Aufruf zur Inneministerkonferenz in Hamburg

Aufruf zur Inneministerkonferenz am 18. & 19.11. in Hamburg.
Zur Mobilisierung gegen die IMK findet eine Veranstaltungsreihe von Juni bis November statt.


IMK versenken!

UnSicher?
Die Innenministerkonferenz (IMK) ist eine seit 1954 regelmäßig stattfindende Konferenz der Innenminister (es sind tatsächlich nur Männer) und –senator_innen der deutschen Bundesländer unter Beteiligung verschiedener Sicherheits-, Verfassungsschutz- und Polizeiorgane, wie das LKA. An bestimmten Arbeitskreisen, die die Konferenz vorbereiten, nehmen zudem die Präsidenten des Bundeskriminalamtes, der Polizeilichen Führungsakademie und des Bundesverfassungsschutzes teil. Bei den Treffen stehen Themen rund um die Begriffe "Innere Sicherheit“, „Ausländerrecht“, „Verfassungsschutz- und Polizeiangelegenheiten“, "Bekämpfung des Terrorismus", „Gefahrenabwehr" oder auch „Linksextremismus“ im Vordergrund.

Dabei zeigen sowohl die personelle Zusammensetzung in der Vorbereitung und auf den Tagungen als auch die Inhalte, dass sich hier nicht nur die politische Ebene trifft, sondern gleichzeitig die Exekutive mit am Tisch sitzt, woraus sich die immense praktische Bedeutung der IMK ergibt.

Die IMK findet jedes Jahr im Frühjahr und Herbst in wechselnden Bundesländern statt. Dieses Jahr ist die Stadt Hamburg die Gastgeberin und der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus führt den Vorsitz.Die Frühjahrskonferenz tagte am 27. und 28. Mai im Gästehaus des Senats, im Hotel Grand Elysée sowie im Rathaus. Sie wurde von einzelnen Protestaktionen begleitet, wie etwa eine Kommunikationsguerilla-Aktion der „Wahren Innenminister“, einem Flashmob, der das Europa-Center „kontrollierte“ sowie einer Kundgebung und einiger militanter Aktionen.

Diese Proteste sehen wir jedoch nur als Auftakt. Zum November, wenn von Mittwoch den 17. bis Freitag den 19. die Herbstkonferenz abgehalten werden soll, wollen wir eine bundesweite Mobilisierung zu umfangreichen Protesten, Demos und Aktionen starten, um den Innenministern während ihrer Konferenz in Hamburg kräftig in die Suppe zu spucken.

Sicher:
Ausgangspunkt für unsere Proteste sind die verschiedenen Arten von Druck und Ausgrenzung innerhalb einer autoritär formierten Gesellschaft. Nahezu alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche sind von Repression betroffen und immer mehr Menschen bekommen diesen Druck direkt oder indirekt zu spüren.

Dabei gibt es einerseits eine legislativ bedingte Repression, die vor allem durch Entzug von  Rechten, in Form der Strafverfolgung und durch staatliche Gefahrenabwehr direkt auf das Leben von Gruppen oder Einzelpersonen einwirkt. So beispielsweise im Zusammenhang mit der Abschiebung von Migrant_innen oder im Überwachungs- und Datensammlungsbereich. Unübersehbar sind hier die stetigen Gesetzesverschärfungen der vergangenen Jahre.

Oft übersehen und dennoch von wesentlicher Bedeutung ist andererseits die indirekte Wirkung von Druck und Stimmungsmache auf das Bewusstsein der Bevölkerung, wie z.B. im Zusammenhang mit einer sogenannten „islamistischen Terrorgefahr“. Hier wird ein Sicherheitsbedürfnis geschaffen, in dessen Zuge die Akzeptanz gegenüber weiterer Kontrollmaßnahmen zu Ungunsten kollektiver und individueller Freiheiten der Menschen wächst. Die Macht- und Repressionsausübung erfolgt also nicht allein von außen, sondern maßgeblich von Teilen der  Gesellschaft selbst. In der Selbstdisziplierung bezüglich seiner Markttauglichkeit, dem Wunsch dazu zu gehören, verurteilen und bekämpfen Individuen abweichende Verhaltensweisen und fügen sich gleichzeitig der vermeintlichen „Normalität“, der Friedhofsruhe des kapitalistischen Normalzustands.

Der strategische Nutzen für den Staat liegt dabei in der Logik des Selbstbewahrens, dem Bestreben also, seine Souveränität und Legitimität aufrecht zu erhalten. Im Hinblick auf den Markt sollen zudem die kapitalistische Weltwirtschaftsordnung sowie die bestehenden Eigentums- und Machtverhältnisse garantiert und die heimische Wirtschaft abgesichert werden. Das ist zwangsläufig nicht zu leisten, ohne Druck auf die Bevölkerung und das Sozialsystem auszuüben. In Zeiten der Krise eignen sich Feindkonstruktionen und Bedrohungsszenarien bestens, um eine Befriedung der Massen und die Einheit zu garantieren. Ganz nach dem Motto: „Wir müssen zusammenhalten, gegenüber den Migrant_innen, Terrorist_innen und Sozialschmarotzer_innen.“

Die permanente Überwachung und stetig zunehmende Kontrolle der Gesellschaft ist eben diesem staatlichen Interesse am Selbsterhalt geschuldet. Mit dem Ausbau der Überwachung soll abweichendes Verhalten erkannt und als solches markiert werden, um die All- und Übermacht der staatlichen Gewalt wiederum zu legitimieren.

Abgesichert
In diesem Zusammenhang ist die Innenministerkonferenz einer der wesentlichen Motoren. Hier werden die Rahmenbedingungen zur Kontrolle und Garantie einer verfügbaren und fügigen Bevölkerung vorbereitet. Hier werden auch für die bundesdeutsche Politik ausschlaggebende Gesetzesinitiativen eingeleitet.

Beispiele aus den letzten Konferenzen sind die Verschärfung des Versammlungsrechts, das partielle Streikverbot, Stadionverbote für Fußball-Fans und Ortsverbote für nicht ins Konsum-Innenstadt-Image passende oder auf öffentlichen Plätzen ungern gesehene Menschen.

Der Kontrollbedarf spiegelt sich deutlich in den bisherigen Beschlüssen der IMK wieder. Die Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung, der Aufbau neuer (z. B. ELENA) sowie die Vernetzung bestehender Datenbanken (z. B. Anti-Terror-Datei und EURODAC) und die Einführung biometrischer Daten in Ausweisen sprechen für sich.

Bisher betreffen die Auswirkungen vor allem konstruierte „Randgruppen“ oder vermeintlich  „Überflüssige“: So sollen rassistische Sondergesetze Migration, Abschiebungen und Aufenthalte im marktwirtschaftlichen Sinne „regulieren“. Hunderttausende Menschen mit Duldungsstatus wurden jahrelang von der Abschiebung bedroht. Was als Bleiberecht, also als zumindest vorübergehende Befreiung, angekündigt war, zeigte sich in der Realität nur als ein weiteres Instrument deutscher Behörden, um Menschen nach der Möglichkeit ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit zu sortieren.

Mehr und mehr zeichnen sich jedoch Tendenzen ab, die gesamte Bevölkerung zu kontrollieren bzw zu disziplinieren. Beispielhaft seien die Beschlüsse zur Aufhebung des Bankgeheimnisses für Menschen, die Sozialleistungen beziehen müssen, oder die Datensammlung mittels ELENA genannt.

Auch wenn Gesetzentwürfe zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren angeblich ersteinmal vom Tisch seien, steht die IMK dennoch für eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft und jeglichen politischen Handelns. Jede Form staatlicher Repression und die Durchsetzung eines  neuen Begriffs der inneren Sicherheit spielt sich vor der Realität des Krieges ab. Militarisierung bedeutet daher heute noch mehr als den Einsatz der Bundeswehr im Inneren oder zivil-militärische Zusammenarbeit. Krieg wird zu einer existentiellen Rahmenbedingung, auch ohne die unmittelbare Betroffenheit der gesellschaftlichen Mehrheit. Nicht nur durch die Flut von Sicherheitsgesetzen wird ein permanenter Ausnahmezustand behauptet und umgesetzt. Der Kriegszustand, in dem sich die BRD befindet, wird auf die gesellschaftlichen Bedingungen im Inneren übertragen und zur Normalität erklärt. Öffentliche Gelöbnisse und Werbeveranstaltungen in Schulen und Arbeitsämtern sind Beispiele für genau dieses Normalisierungsbestreben.

Entsichern!
Mit einer Reihe von Veranstaltungen wollen wir die Bedeutung der IMK, die von der breiten Bevölkerung unbeachtet oder akzeptiert, fleißig den Überwachungsstaat ausbaut, darstellen.

Viele politische Gruppen, ob links oder linksradikal oder autonom, die zu unterschiedlichen Themen arbeiten, haben sich in einem Arbeitskreis zusammen gefunden, um kollektiv der Überwachungsmaschinerie etwas entgegenzusetzen: So beispielsweise Gruppen aus dem Anti-Rassismusbereich, die sich bereits seit langem gegen die rassistischen Sondergesetze engagieren, Zusammenhänge aus der Antirepressionspolitik, die zu Knast, Überwachung und Entrechtung arbeiten, Menschen, die gegen Datenspeicherung sind und andere, die gegen den Abbau des Sozialstaates kämpfen. Antifaschistische Gruppen, die dem Konstrukt der Extremismustheorie etwas entgegensetzen wollen, sowie Leute, die vor der zunehmenden inneren Militarisierung in der BRD warnen und jene, die für ein Recht auf Stadt streiten.

Auch wenn wir untereinander Widersprüche haben, verbindet uns ein antikapitalistischer Politikansatz. Auf dieser Grundlage sehen wir die IMK als Ausdruck des politischen und ökonomischen Systems. Das Treffen der Innenminister soll Kontrolle und Repression im Sinne von Systemstabilität und Verwertungssicherheit weiterentwickeln und optimieren. Unsere Kritik an der IMK ist  synonym mit einer Kritik an Herrschaft, an Macht- und Gewaltstrukturen.  Unser Protest gegen staatliche Repression und autoritäre Ideologien im Inneren ist auch Protest gegen ein weltweites kapitalistisches Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem.
Nur eine herrschaftsfreie Gesellschaft kann ein gerechtes Zusammenleben möglich machen.

Ziel unserer Veranstaltungsreihe ist es vorerst, die geschilderten Zusammenhänge offen zu legen und Informationen auch über unseren Vorbereitungskreis hinaus zu verbreiten. Damit einhergehend werden wir zu massiven Protesten bei der Herbstkonferenz der Innenminister mobilisieren. Hamburg soll im November zur No-Go-Area für die IMK Schergen werden. Zeigen wir, dass wir ihre Politik zum Kotzen finden!

IMK angreifen!
Hamburg unsicher machen!