Aufruf zur Inneministerkonferenz in Hamburg

Aufruf zur Inneministerkonferenz am 18. & 19.11. in Hamburg.
Zur Mobilisierung gegen die IMK findet eine Veranstaltungsreihe von Juni bis November statt.


Gefahrengebiet: Innenministerkonferenz!



Seit der Auftaktdemonstration gegen die Innenministerkonferenz in Hamburg gibt es massive Versuche der Polizei, die Proteste einzuschränken. In den Medien wird dies begleitet durch eine Berichterstattung, die statt Inhalten auf Gefahrenprognosen, Warnungen vor Demonstrationen und Erfolgsmeldungen der Polizei setzt.

Der Sinn dieser Maßnahmen ist offensichtlich der Versuch, eine kritische Öffentlichkeit von der Teilnahme an Demonstrationen einzuschüchtern. Wir, einige Autonome aus Hamburg, fordern alle auf, sich in den nächsten Tagen von den Polizeiaufgeboten und der aktuellen Medienrandale gegen die IMK Proteste nicht abschrecken zu lassen und an den Protesten gegen die Innenministerkonferenz weiter teilzunehmen. Außerdem fordern wir alle auf, zur Demonstration "I love Bleiberecht" am Mittwoch um 17.30 ab Hachmannplatz zu kommen und einen positiven Verlauf der Veranstaltung zu unterstützen.

Der Widerstand von Flüchtlingen gegen ihre Unterbringung in Lagern, Beschränkungen der Reisefreiheit oder die Abschottung Europas an den Außengrenzen, ist auch ein Teil unserer Kämpfe. Das Bemühen um Selbstorganisierung und die Entwicklung von Protest taucht derzeit an vielen Orten in der Gesellschaft auf. Tausende Menschen bewegen sich in Stuttgart, im Wendland, in Hamburg und anderswo in neuen sozialen Bewegungen. Die Proteste richten sich gegen Einsparungen im Sozialbereich, Leerstand, Atomtransporte, kapitalistische Stadtentwicklung oder Überwachungstechnologien und werden getragen von Menschen unterschiedlichster Ausgangspunkte. Die Situation von Flüchtlingen, ihre Rechte und Lebensverhältnisse sind für uns als Autonome ein zentraler Bestandteil im Kampf für eine Gesellschaft jenseits autoritärer Zuspitzung.

Für die Bewegungsfreiheit und das Bleiberecht von Flüchtlingen!

Es wird auf der antirassistischen Demonstration am Mittwoch keinen autonomen Block geben! Wir wollen auf dieser Demonstration keine eigenen Blöcke repräsentieren, sondern gemeinsam den Selbstschutz und die Selbstorganisation von Flüchtlingen unterstützen. Wir wissen um die Situation, dass die Reisefreiheit von Flüchtlingen beschränkt ist und polizeiliche Angriffe fatale Folgen bis hin zur Abschiebung haben können. Wir finden es gut, dass sich Jugendliche ohne Grenzen und andere trotz dieser schwierigen Bedingungen organisieren und Widerstand gegen die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit und für ihre Rechte entwickeln. Wir werden nicht auf Provokationen und Eskalationen der Polizei eingehen, sondern freuen uns auf eine große, laute und kraftvolle Demonstration, auf der wir unseren gemeinsamen Widerstand gegen Rassismus und die herrschende Repression zum Ausdruck bringen.

Die politisch Verantwortlichen sind aufgefordert, jegliche Beschränkungen der Demonstration zu unterlassen und auf eine einschließende Begleitung zu verzichten! Eine Gefahren- und Verbotsdiskussion der Hamburger Polizei dient in diesem Zusammenhang lediglich einer Bekämpfung des politischen Protestes von Flüchtlingen und Antirassist_innen. Wir fordern alle in Hamburg auf, ein deutliches Signal gegen eine mögliche Kriminalisierung der Demonstration zu setzen und solidarisch auf die Straße zu gehen.Wir erwarten eine große bundesweite Demonstration, die radikale Kritik gegen Abschiebungen und rassistische Kontrollen und auch konkrete Forderungen von Flüchtlingen formuliert.

Gegen die herrschende Repression!

Die letzten Tage haben in Hamburg ein gewaltsames Bild polizeilicher Repression gezeichnet. Wir sind schockiert, dass Demonstrationen hierzulande die Außendarstellung eines Polizeistaates entwickeln und sich in der bürgerlichen Öffentlichkeit weder Nachdenklichkeit noch Empörung regt. Die Demonstration am vergangenen Samstag wurde durch einen menschenleeren Korridor geschleust. Im Vorfeld wurde ein Gefahrengebiet rund um den Abschlussort ausgerufen. In den Seiten- und den Zufahrtstraßen schufen Wasserwerfer und Absperrungen eine Zone ohne Öffentlichkeit. Die Demo selbst war ein Gefangenentransport und wurde von teilweise dreireihigem Spalier begleitet, das noch bis weit hinter das Ende der Demo reichte und dort in gespenstischer Weise eine leere Straße umschloss. Eine Teilnahme oder ein Verlassen der Demonstration war lediglich über das hintere Ende möglich. Im Bereich des Schulterblattes führte genau diese Situation zu einem Angriff der Polizei, als mehrere Personen die Demonstration verlassen wollten.

Polizeigewalt hat viele Formen. Knüppeleinsätze, Verletzungen durch Pfefferspray, Wasserwerferangriffe oder auch die physische Präsenz von Tausenden von Beamt_innen als latente Gewaltandrohung. Der Polizeieinsatz von Samstag war mehr als eine reine Machtdemonstration, er war eine gewaltsame Botschaft für alle, deren Lebensentwürfe von den herrschenden Normen abweichen oder die Protest entwickeln. Wenn ein solch militärisch anmutender Ausnahmezustand die Regel wird, werden Demonstrationen zur Farce. Die Straßen sind für uns nach wie vor ein Ort des Protestes und Widerspruches. Im Rahmen von Polizeiaufgeboten, die jeglichen Rahmen von Verhältnismäßigkeit sprengen, werden sie stattdessen zu einer Wand aus Tausenden von Bullen, zu einer gewalttätigen Präsentationsform repressiver Machtmittel des Staates, die gegen die Entwicklung von kritischer Öffentlichkeit gerichtet ist.

Polizeiaufgebote ins Leere laufen lassen!

Der Polizeieinsatz war kein Erfolg, wie die Innenbehörde über die Medien verbreitet, sondern ein Skandal und eine faktische Aushebelung des Demonstrationsrechtes. Wir finden es richtig, dass Leute anfangen, sich dagegen zu wehren, indem sie dezentrale Aktionskonzepte entwickeln. Die Dynamik, die mit der Zeit in der Innenstadt entstanden ist, macht Lust auf mehr. Spontane Demonstrationen, Sprechchöre, Flyer, Graffitis, Flatterbänder, die ausgerollt wurden, eine autonome Reiterstaffel als Persiflage und ein mobiles Sofa für Bleiberecht. Dies alles verfolgt von der Polizei, für die die Situation nicht kontrollierbar war. Diese Form des Protestes ist für uns ein ausbaubares Aktionsmodell gegen die Beschränkung von Demonstrationen durch massive Polizeiaufgebote.

Auch die spontanen Demonstrationen und militanten Aktionen außerhalb des Gefahrengebietes im Schanzenviertel waren eine richtige Konsequenz. Proteste lassen sich vielleicht kriminalisieren, aber dauerhaft nicht verhindern. Dies ist der Grund, weshalb wir weiter den Aufstand proben und Hamburg unsicher machen werden. Je massiver und gewaltsamer die Polizei auf der Straße agiert, desto trickreicher und überlegter werden sich auch die Protestformen von sozialen Bewegungen entwickeln. »Wir sind ein Bild aus der Zukunft« stand auf dem Fronttransparent der Demonstration um 18 Uhr. Damit diese unsere Zukunft kein autoritärer Alptraum in einem Überwachungsstaat wird, bleiben wir auf den Straßen und organisieren Widerstand. Die Wut und die neuen Ausbrüche von Protesten in ganz Europa machen uns dabei die Füße leicht und zeigen uns, wir sind nicht alleine in unserem Begehren.

Unsere Antwort: Widerstand!

Wir erklären die Innenministerkonferenz hiermit zum Gefahrengebiet! Dies bedeutet, dass es ohne weiteren konkreten Anlass jederzeit zu spontanen Protesten und Demonstrationen kommen kann. Das Gefahrengebiet gilt von Donnerstag 10 Uhr bis Freitag 20 Uhr. Unterstützen Sie die eingesetzten Demonstrant_innen und distanzieren Sie sich von Straftätern im Amt. Eine Kennzeichnungspflicht für Beamt_innen wird in dieser Zeit ausgerufen und deren Vermummung ist strikt verboten! Ein Flaschenverbot auf der Innenministerkonferenz wurde hingegen als unrealistisch bewertet.

Autonome aus Hamburg 16.11.2010